Juni-Hochwasser am Bodensee

Kampf gegen das Wasser
Kampf um das Wasser

Anfang Juni 2024 stieg der Pegel des Bodensees Tag für Tag allein zwischen dem 31. Mai und dem 4. Juni um 80 cm. Am 11. Juni wurde für den westlichen Teil des Sees, den Untersee, die höchste Gefahrenstufe 5 ausgerufen. Uferpromenaden, Gartenrestaurants, Parkplätze am See und einige Strassenabschnitte lagen unter Wasser. Doch es war, zum Glück, nicht so schlimm wie 1999 bei der extremen Hochwasserlage. Damals stand der Pegel bei Berlingen noch 62 cm höher. Jene Situation galt als Jahrhunderthochwasser.

Wo das Wasser herkommt
Die Fläche des Bodensees umfasst rund 536 km2. Er gehört zur Schweiz, zu Deutschland und zu Österreich, wobei der Grenzverlauf im See nicht klar definiert ist. Das Einzugsgebiet erstreckt sich über 11‘500 km2. Auf Schweizer Boden bringt der Alpenrhein das meiste Wasser nach unten. Laut einer Statistik speisen jedoch mindestens 236 Zuflüsse den See. Aktuell, im Mai und Anfang Juni 2024, kam ein grosser Teil des Wassers aus Süddeutschland. Starke und stärkste Niederschläge führten dort zu massiven Überschwemmungen. Aus den Schweizer Bergen floss zudem viel Wasser aus der Schneeschmelze in den See. Ein kleines, doch nicht unwichtiges Detail: der Bodensee ist eines der wenigen Gewässer, dessen Abfluss nicht reguliert ist, was u.a. zu spektakulären Bildern am Rheinfall führt(e).

Wo das Wasser hinfliesst
Direkt aus dem Bodensee fliesst Wasser in den Hochrhein. Die nächsten Abschnitte heissen Oberrhein, Mittelrhein und Niederrhein. In diesen Abschnitten wurde Anfang Juni logischerweise ein erhöhter Durchfluss gemessen, mit anderen Worten: ebenfalls Hochwasser. Das beeinträchtigte die Schifffahrt. Die letzte Etappe des Rheins nennt sich Deltarhein. Darauf folgt die Nordsee. Nur spürt die Nordsee das Bodenseehochwasser nicht sehr stark.

Wohin Bodenseewasser ebenfalls „fliesst“
Auf unserer Wanderung rund um den Bodensee 2022 führte uns Etappe 14 auf dem SeeGang nach Sipplingen am Überlingersee. In der Uferzone wurden dort an die zwanzig Pfahlbausiedlungen ausgemacht, es handelt sich um den grössten Pfahlbaukomplex am Bodensee! Oben am Sipplinger Berg befindet sich eine moderne Einrichtung, die Bodensee-Wasserversorgung. Wasser schiesst mit 4000 Litern pro Sekunde aus dicken Rohren durch ein „Quellbecken“. Und aus Seewasser wird nach 4 Stunden in einer weit über den Hügel gespannten Anlage keimfreies, klares Trinkwasser. Das Wasserreservoir auf dem Sipplinger Berg fasst 38 Millionen Liter. Von hier werden in meterdicken Fernleitungen drei Viertel nach Baden-Württemberg bis in die Region Stuttgart geleitet. Das fein verzweigte Fernleitungssystem ab Sipplinger Berg zählt 1700 km. Doch Trinkwasser aus dem Bodensee ist weitherum begehrt. Der Durst auf Bodenseewasser wird grösser und grösser. Auch das Bundesland Bayern will künftig viel Wasser aus dem Bodensee abpumpen für seinen trockenen Norden mit Franken und der Oberpfalz. (Bayern reicht mit der Stadt Lindau an den See.) Thurgau und St. Gallen benötigen ebenfalls mehr „blaues Gold“, wie Wasser bereits genannt wird. Die Stadt Sankt Gallen bezieht ihr Wasser aus dem See, der Thurgau rund 40 Prozent seines Bedarfs. Der Kampf um eine neue, gerechte Verteilung könnte kompliziert werden, sagen Fachleute. Der aktuelle Staatsvertrag der drei Anrainerstaaten stammt von 1966. Ausserdem regelt die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee die Wasserentnahme.

Genug Wasser für alle
Gibt es genug Wasser für alle? Ja, denn es gelte, Relationen zu beachten, heisst es in Fachkreisen. Die Wasserentnahmen seien im Vergleich zum gesamten Wasserhaushalt winzig. Sie betragen 1 bis 2 Prozent der Mengen, die allein der Alpenrhein Tag für Tag bringe. Und noch ein Vergleich: jährlich verdunstet doppelt so viel Wasser von der Oberfläche des Sees, wie die Anrainer abpumpen. Der Kampf gegen (Hoch)Wasser dürfte anstrengender und nervenaufreibender sein als der Kampf um Wasser.

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