Etappe 30 von Sankt Gallen nach Arbon

Der Steinach entlang nach Steinach
wie der legendäre Gallus im 7. Jahrhundert.

20. Oktober, 10.10 Uhr: Die Steinach donnert als Wasserfall ungezähmt über die Felsen herunter und verschwindet bei der Talstation der Mühlegg-Bahn gleich unter dem Stadtboden. Gallus winkt ihr nach, den Bär interessiert das Gewässer nicht. Bevor wir uns auf den Weg hinunter zur Mündung der Steinach in den Bodensee machen, gilt ein Besuch der Gallus-Kapelle im Innenhof des Stiftsbezirks. Leider ist sie geschlossen. Bischof Desiderius und Hauptmann Mauritius vor der Tür lassen uns nicht hinein. Die erste Kapelle wurde hier im 10. Jahrhundert erbaut – und 1671 neu errichtet. Bilder in barockem Stil würden den Innenraum schmücken und Gallus aufleben lassen. Sie erzählen so wirksam von ihm, dass alle Worte und historischen Fragezeichen keine Chance haben. So begehen wir heute den Gallus-Weg, obwohl er nirgends als solcher markiert ist. Rosmarie lädt dessen Route auf ihr Smartphone. Sie wurde im Gallusjubiläum 2012 als Pilgerweg eingerichtet. Durch die Stadt Sankt Gallen fahren wir mit dem Bus bis zu seiner Endstation Guggeien, so schenken wir uns eine langweilige Stunde Marsch. Auf 676 m über Meer gehen wir los, auf uns warten 12 Kilometer mit 86 m Aufstieg und 363 m Abstieg. Hier oben ist die Steinach weit weg. Über das Steinachtobel hinweg ahnen wir im Nebel die Hauptstrasse bei Wittenbach und das Hotel, in dem wir nach Etappe 2 übernachteten. Auch von der Aussicht auf den Bodensee ist nichts zu sehen, ausser im Vordergrund etwas Wald, etwas Wiesen, hie und da ein Bauernhof. Unterwegs treffen wir einen Bauer an, seine fünf Kinder helfen ihm beim Einsammeln von Äpfeln. Die grösseren steuern cool zwei Traktoren. Die Kleinste sitzt mit Nuggi im Mund auf dem einen Traktor und hält sich an ihrem grösseren Bruder fest. Ein süsses Bild! Was hätte sich wohl Gallus gedacht, wenn er in dieser Gegend einer solchen Familie begegnet wäre? Er hat doch eher Bären bevorzugt, mit denen er kämpfte und die er dirigierte …
Beim Bahnhof Mörschwil machen wir eine kurze Mittagspause. Bald schenkt Rosmarie wieder ihrem Smartphone Aufmerksamkeit, dem heruntergeladenen inoffiziellen Gallusweg. Dank GPS finden wir jede Richtungsänderung. Endlich stossen wir an die Steinach, sie rauscht gemütlich in unseren Ohren. Auf dem Gallussteg (!) überqueren wir den Bach. Hier beginnt der letzte Aufstieg der Etappe hinauf zur Steinerburg. Als Kind besuchte ich die Ruine mehrmals mit dem Velo. Jetzt lese ich, dass sie vor 1220 von den Herren von Steinach erbaut wurde. Diese wohnten im Grenzgebiet zwischen dem Bischof von Konstanz und dem Abt von Sankt Gallen. Für beide Herrschaften mussten sie als Dienstleute arbeiten. Ein paar Meter neben der Ruine fällt unser Blick das erste Mal auf … Arbon und den Bodensee. Weit ist es nicht mehr. In Obersteinach verläuft der Gallusweg im Zickzack um mehrere Häuserecken, nur dank GSP finden wir ihn, nicht einmal Wanderwegweiser helfen. Wieder am Bach namens Steinach ist alles klar: der Weg zur Mündung in den Bodensee verläuft leicht abwärts in gerader Linie.

20. Oktober, 13.40 Uhr: Auf der Brücke über die Steinach in Steinach (398 m ü. M.), kurz bevor der Bach im See „verschwindet“, schliesst sich unser Kreis der Bodensee-Umwanderung. Hier überquerten wir am Ostersonntag, am 17. April 2022, auf unserer ersten Etappe von Arbon nach Rorschach die Steinach das erste Mal. Jetzt ist es geschafft – wir haben den Bodensee umrundet! Es fehlt bloss noch ein Besuch im Historischen Museum Arbon, das während der Woche bereits geschlossen hat. Den Besuch holen wir deshalb am nächsten Sonntag, am 23. Oktober, nach. Auf der Etappe 31. Die letzten Meter der Etappe 30, von Steinach nach Arbon dem See entlang, geniessen wir leichten Herzens und in der typisch-lokalen Herbststimmung. Auch die Arboner Gallus-Kapelle ist verriegelt, eine Parallele zu jener in Sankt Gallen. Was würde wohl Gallus zu „seinen“ verschlossenen Türen sagen? Er sei bekannt gewesen als „harter Hund“, als erbarmungsloser Missionar. So berichten es Legenden.

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