DEN Weg gibt es nicht.
MEIN Weg entsteht durch Gehen.
11. Oktober, 10.00 Uhr: Die Wanderkarte der Region Pfänder ist keine Hilfe. Sie zeigt diverse Möglichkeiten, wie wir auf den Pfänder gelangen. Steile und gemächlichere, direkte und indirekte. Eine klassische Route gibt es nicht. Die meisten Tourist:innen steigen wohl in die Seilbahn, um die Höhendifferenz von rund 660 Metern zu überwinden. Wir entscheiden uns „historisch“. Gebhard ist der Grund. Darum führt unser Weg via Gebhardsberg hinauf auf den Berg. Unten in der Stadt, in der Kirchgasse, begegnen wir dem Bregenzer Seebrünzler, einer Kunstfigur von 2003. Er ermahnt Einheimische wie Auswärtige, die Notdurft nicht direkt in den See zu entleeren. Der Wanderweg zur Stadt hinaus Richtung Wald und Gebhardsberg ist zusätzlich als „Meditationsweg“ gekennzeichnet. Das interessiert weder Kinder des Waldkindergartens noch Jugendliche auf ihrer Wanderung zur Stadt, denen wir unterwegs begegnen. Wir grüssen einander gegenseitig freundlich. Und atmen gute Luft.
Das Restaurant auf dem Gebhardsberg erreichen wir nach einer Stunde. Den Durst löschen wir jedoch aus der Wasserflasche im Rucksack. Denn das Restaurant ist geschlossen. Nicht wegen Ferien oder Konkurs. Nein, ganz einfach: „Dienstag ist Ruhetag“. Wir ruhen am Dienstag nicht, sondern werfen einen kurzen Blick in die Gebhardskirche. Sie wurde 1723 erbaut als Wallfahrtskirche zu Gebhard neben der Ruine der hochmittelalterlichen Burg Hohenbregenz. Welch Aus- und Übersicht! Hier auf 598 m über Meer sehen wir das Rheintal, den Falknis, den Alpstein mit Schnee auf den Gipfeln und unzählige uns unbekannte Berge. Sowie direkt unter uns die lärmige Autobahn, die aus dem oder in den Pfändertunnel führt. Fertig ist es mit der Meditations-Stimmung im herbstlichen Wald. Zu unserer Freude drückt jedoch die Sonne durch. Und die ruhige Stimmung kommt zurück auf dem Bergweg, der abschnittsweise weiss-rot-weiss statt gelb-weiss „angeschrieben“ ist. Noch zwei Stunden Aufstieg, meldet der Wegweiser. Manche Leute kommen uns entgegen, für uns überraschend viele. Wir hören unterschiedliche Grussformeln: Hallo! Servus! Grüss Gott! Guten Tag! Das Grüezi! fehlt, wir befinden uns in Vorarlberg.
13.00 Uhr: Zu unseren Füssen liegt der Bodensee! Nach drei Stunden Aufstieg stehen wir auf der obersten Plattform der Pfänderbahn-Bergstation. Hier ein Selfie, dort ein Selfie. Ein österreichischer Tourist, der mit seiner Frau ebenfalls erstmals auf dem Pfänder steht, fotografiert uns mit Rosmaries Kamera. Und Grüsse gehen raus – nach Goldach und Arbon, nach Lindau und zum Zeppelin in der Luft vor uns, nach Walzenhausen hinüber, wo wir morgen Richtung Trogen starten wollen, auf den Säntis hinauf, dessen Besteigung von der Bollenwees her am Samstag wohl wegen des Wetterwechsels ausfallen wird. Nochmals winke ich nach Arbon, Start- und Zielort der Bodensee-Umwanderung.
13.50 Uhr: Der Abstieg beginnt. Zu Fuss. Keine Chance für die Seilbahn. Es geht gleich steil abwärts. Rosmarie macht Tempo. Ein Downhill-Rennen auf dem Bike oder ein Super-Ski-Lauf ist ein Klacks dagegen. In einer Stunde sind wir bereits unten bei der Talstation der Pfänder-Bahn. Der Abstieg war wild romantisch, der Weg entstand im Gehen. Wir danken den Bergschuhen. Was noch fehlt: dass unsere Füsse im See liegen.