VON WEGEN
VON UM-WEGEN
18. April, 09.00 Uhr: Start am Ostermontag zur Königsetappe in Teil 1. In der Sprache der Tour de France findet die Königsetappe gegen Schluss der Tour statt, in meiner Planung bereits am zweiten Tag. Naiv oder überheblich? Ich ignoriere einfach meinen Rucksack mit dessen 15 kg Gewicht. In Rorschach beginnt es steil hinauf zum alten Kloster Mariaberg. Esther ist so freundlich, uns beim Einstieg in den Aufstieg zum Fünfländerblick persönlich zu begleiten. Sie fungiert sogar als Sherpa, indem sie Rosmarie’s Rucksack bis zum St. Annaschloss trägt. Welch ein Service! Und sie empfiehlt uns einen kleinen Um-Weg auf den Berg. Ihr Tipp belohnt uns mit desto traumhafteren Aussichten, je höher wir steigen. Leider, doch verständlich, hat die Pädagogische Hochschule in den historischen Mauern von Mariaberg am Ostermontag geschlossen. Wir müssen sie ein anderes Mal besuchen.
VON WEGEN kann ich jedoch erzählen: von harten Asphaltsträsschen, von Füsse schonenden Wiesen-, Feld- und Waldwegen. Sogar von rutschigen Unterholz-„Wegen“ für eine Abkürzung. Von Wegen hinauf und hinunter und wieder hinauf und hinunter. Und das Gleiche nochmal. Meine Wanderpartnerin hat das Gefühl, es gebe nur UM-Wege, irgendwie hat sie recht. Doch jeder Weg oder Um-Weg teilt eine Gemeinsamkeit: die Aussicht auf Arbon und die Weiten des Bodensees. Was will ich mehr. Auch einen Zeppelin sehen wir hoch über dem deutschen Ufer schweben.
Klar gäbe es andere Wege Richtung Sankt Gallen: den Schnellzug ab Rorschach, die Autobahn A 1, die Hauptstrasse, das Postauto via Untereggen und Martinsbrugg. Den Jakobsweg. Velowege. Sie interessieren mich nicht.
Auf Wegschleifen wandern wir zum Fünfländerblick (898 m ü. M.). Dort schauen wir hinüber nach Baden, Württemberg, Bayern und Vorarlberg (als Vorausblick auf das zweite Teilstück meiner Tour) sowie auf die Schweiz zu unseren Füssen. Einige Berggipfel könnte ich ebenfalls benennen, sie sind heute kein Thema. Die Eggersrieter Höchi (897 m) schenkt uns ein Rundumpanorama. Auf einem Bänkli sitzen wir direkt hoch über Goldach, links der schneeweisse Alpstein vom Hohen Kasten bis zum Säntis (der bergige Grat soll auf dem dritten Teilstück der Wanderung um den Bodensee im Oktober die Königsetappe bilden), rechts der See mit seinem Umfeld. Fast der gesamte Weg ist von hier oben einsehbar, heute am Ostermontag, am zweiten Tag der Wanderung. Wahrlich eine königliche Etappe!
Um 14.15 Uhr sehen war im langen Abstieg Richtung Martinsbrugg das erste Mal die Stadt Sankt Gallen vor uns liegen. Und im gleichen Moment beginnt das Männerfussballspiel Luzern gegen Sankt Gallen. Ich verfolge es via Teletext. Beim Überqueren des Flusses Goldach tief unter der Martinsbrugg steht der Match 0:1. Ein neuer Aufstieg – jetzt auf dem Jakobsweg! – beginnt für uns. Ebenso für meinen FCL? Die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Beim Schaugenhof erreichen wir die Höhe der Stadt Sankt Gallen auf 723 m. Auch hier mit Sicht auf Arbon und den See. Es ist 16.10 Uhr. Wir müssen „nur“ noch den Rand der grossen Stadt in ihrem Osten queren (wir werden sie im Umfeld des 16. Oktober, dem Gallus-Tag, „richtig“ zu Fuss besuchen) und nach dem Quartier Heilig Kreuz Wittenbach ansteuern. Mir geht es gut, auch dank des FCL, der in letzter Sekunde den Siegtreffer zum 3:2 gegen den FC Sankt Gallen schoss. Auch im Sport benötigt es hie da Umwege, zwei Mal lag der FCL im Rückstand.
Beim Ausruhen im Hotel fehlt etwas nicht: ein Blick auf den Bodensee.